Anteil alphabetisierte Erwachsene 99,6 % (2018)
Bedeutende Religion(en) Islam (Sunniten) ca. 89%
Städtische Bevölkerung 35,1 % (2018)
Lebenserwartung (w/m) 75/69,7/72,3 Jahre (f/m/gesamt, 2018)
Gender Inequality Index Kalkulation lt. UNDP nicht möglich
Anzahl der Geburten 2,46 / Frau (geschätzt, 2018)
Kindersterblichkeit 19,1 / 1000 Lebendgeburten (2018)
Ethnien und Sprachen
Usbekistan ist ein sehr junges Land, denn etwa 10,4 Mio. Menschen, das entspricht knapp 40% der gesamten Bevölkerung, sind unter 18 Jahre alt. Etwa 17 Millionen Menschen, also circa 65% der Bevölkerung, sind unter 30 Jahre alt und so kommt es zu einem Durchschnittsalter von nur 28,6 Jahren (Stand 2018). Die Bevölkerung Usbekistans besteht aus über 100 Völkerschaften, davon nach offiziellen Angaben
- 71% Usbeken
- 5,1% Russen
- 5% Tadschiken
- 4,1% Karakalpaken,
- 3,2% Kasachen
- 2,7% Krimtataren
- 2,5% Koreaner
Zu den kleineren Minderheiten zählen Turkmenen, Uiguren, Aserbaidschaner, zentralasiatische Zigeuner-Gruppen (Eine Erläuterung zum Begriff siehe im Interview des Zentralasienwissenschaftlers Olaf Günther), Juden (Details zu den letzteren im Film «Beten und Leben» in Usbekistan), Deutsche.
Zahlreich sind auch staatenlose Menschen, deren Probleme und Nöte von der Regierung nicht wahrgenommen werden.
Obwohl Russisch keine offizielle Sprache ist, ist es diesem ein beeindruckendes Comeback gelungen, teils wegen der Arbeitsmigration von Usbeken nach Russland, teils durch die Hinwendung der neuen Führung des Landes zu Russland.
Regionalismus
Sechs regionale informelle Netzwerke sind für das politische bzw. wirtschaftliche Felder von Usbekistan von Bedeutung: drei aus dem Fergana-Tal, jeweils einer aus Buchara, Samarkand und Taschkent. Der erste Präsident des Landes wie auch der jetzige Amtsinhaber verdanken dem Netzwerk aus Samarkand ihren Aufstieg und Karriere. Dennoch ist der erste und jetzige Präsidenten sind bemüht, den Einfluss des Regionalismus zugunsten des Staatsapparates zu verringern und eine nationale Identität zu stärken. Bislang ohne Erfolg, denn es fehlt die Zivilgesellschaft, die das Land stabilisieren könnte.
Karimov, der erste Präsident Usbekistans, beteiligte oligarchische Gruppierungen, welche aus den jeweiligen informellen Netzwerke geformt wurden, an seinem Herrschaftssystem, gleichzeitig aber fürchtete er sie. Daher eine ständige Rotation von Entscheidungsträgern auf nationaler, regionaler und lokaler Ebenen, damit diese Gruppierungen nicht allzu starkes politisches und wirtschaftliches Kapital anhäufen können. Geraten sie außer Kontrolle, wie in den neunziger Jahren in Tadschikistan, drohen auch Usbekistan Bürgerkrieg und Gewalt. Mirziyoyev versucht derzeit, das regionalistisch geprägte Herrschaftssystem in ein etwas stabileres oligarchisches nach russischen Beispiel zu überführen.
Emanzipation der Frau
Eine radikale Veränderung der Stellung der Frauen durch ökonomische Unabhängigkeit wurde in der Sowjetzeit mittels Einbeziehung in die «gesellschaftliche Produktion», Bildungsoffensiven und Kritik patriarchalischer Herrschaftsverhältnisse erreicht. Bestimmte Berufszweige (Gesundheits- und Bildungswesen) waren sehr stark feminisiert, denn diese ermöglichten die sowjetische Emanzipation mit der traditionellen Rolle von Frauen in der usbekischen Gesellschaft einigermaßen zu verbinden. Entsprechend den ideologischen Vorgaben wurde die Teilhabe von Frauen an gesellschaftlichen Organisationen, lokaler Selbstverwaltung und Volksvertretungen gefördert. Koedukation, außerhäusliche Erwerbstätigkeit und Präsenz von Frauen im öffentlichen Raum unterstützen den Trend zur Aufhebung der Geschlechtersegregation.
Sie besteht jedoch in für ein «ungeschultes Auge» unsichtbaren Details und in bestimmten Bereichen (Feste, religiöse Riten, Familienleben, Umgang der Geschlechter, arrangierte Ehe) fort, im ländlichen Milieu sind Männer- und Frauenwelten stärker getrennt. Nach der Unabhängigkeit nimmt die Geschlechtertrennung wieder zu auch weil die Regierung bestrebt ist, gesellschaftliche Aktivitäten von Frauen auf traditionelle Rollen zu reduzieren und so insgesamt vorhandenes Protestpotenzial aus der Gesellschaft zu schaffen.
Ein kleines Kopftuch ist auf dem Lande und in konservativeren Schichten üblich. Die Alphabetisierungsrate der weiblichen Bevölkerung lag 1990 bei fast 100%. Usbekistan hat in seiner neuen Verfassung weiterhin Gleichberechtigung der Geschlechter verankert. Arbeits- und sozialrechtliche Schutzbestimmungen für weibliche Beschäftigte einschließlich Schwangere und Mütter blieben großteils erhalten, allerdings oft nur auf dem Papier. Es gibt inzwischen Hinweise, dass die usbekische Regierung ein geheimes Programm zur Zwangssterilisation von Frauen betreibt.
Der soziale Umbruch hat jedoch zahlreiche Frauenarbeitsplätze vernichtet. Wie in anderen Transformationsländern ist in Usbekistan eine sog. Feminisierung der Armut zu beobachten. Eine Folge der Armut ist die Zunahme von Prostitution, Frauenhandel, Beteiligung am Drogenschmuggel sowie der Anstieg häuslicher Gewalt. Ein Gesetz gegen häusliche Gewalt existiert nicht, noch weigern sich zahlreiche Ärzte Fälle häuslicher Gewalt medizinisch zu untersuchen
bzw. zu belegen. Insgesamt sind Frauenrechte mangelhaft geschützt. Die Stellung der Frau in der usbekischen Gesellschaft lässt zu wünschen übrig, wie die Frauenaktivistinnen berichten.
Seit 1991 sind Frauen in sehr viel geringerem Umfang in Politik und Regierung vertreten. Das staatliche Frauenkomitee besteht fort, und eine Vielzahl von unabhängigen Fraueninitiativen ist entstanden.
Eine sogenannte Retraditionalisierung ist besonders in verarmten Gesellschaftsschichten zu beobachten. Es wird befürchtet, daß positive Veränderungen aus der Sowjetperiode allmählich rückgängig gemacht werden. Offiziöse Leitbilder für Frauen und öffentliche Diskurse schwanken zwischen Propagierung von Berufstätigkeit, wirtschaftlicher Unabhängigkeit und eherkonservativen Stereotypen, die familiale und reproduktive Rollen betonen.
Filmhinweis:
Die Last der Jungfräulichkeit (2009), Teil I: Die usbekische Filmemacherin Umida Ahmedova hat diese packende Dokumentation zusammen mit ihrem Ehemann Oleg Karpov gedreht, in der sie den gefährlichen Mythos der Jungfräulichkeit in der usbekischen Gesellschaft darstellt (auf Russisch, mit deutschen Untertiteln, Teil II, Teil III
Mikrosoziale Struktur
Familie und Verwandtschaft: Das Zusammentreffen mit einem Usbeken schließt immer schnell die Bekanntschaft mit seiner Familie mit ein. Keine Familie zu haben, scheint aus usbekischer Sicht entweder undenkbar oder ein besonderes Unglück zu sein. Die Familie stellt in der usbekischen Gesellschaft einen sozial hoch angesehenen Wert dar. Allerdings sollte man den hohen Stellenwert der Familie bei Usbeken nicht romantisch verklären, was sie selbst gegenüber westlichen Ausländern oft und gern tun: Das Individuum wird in der Tat durch seine Grossfamilie regelrecht «versklavt» und ist daher zu einem selbständigen individualisierten Handeln kaum fähig. Die meisten lebenswichtigen Entscheidungen werden vor dem familiären Hintergrund getroffen.
Auch dies sollte nicht essentialistisch aufgefasst werden, dafür gibt es soziale Gründe. Denn nach dem Wegfall derwährend der Sowjetzeit entwickelten Institutionen der sozialen Fürsorge und infolge einer starken Verarmung nach der Unabhängigkeit des Landes ist die Familie gezwungenermaßen zu der einzigen Überlebensinstitution für viele Menschen geworden. Verwandtsein stellt unter den Individuen eine Art «Vertrauen» her. Es bildet ein Mittel der Legitimation der sozialen Beziehungen und bestimmt die Richtung auf dem Lebensweg des Individuums (Wohnort, Partnerwahl, Freunde). Wenn sich zwei Usbeken treffen, werden sie beim ersten Mal versuchen, herauszufinden, ob sie keine gemeinsamen Vorfahren haben oder werden nach einer anderen Verbindung zwischen sich suchen.
Wenn es unmöglich ist, eine Familienbeziehung zwischen den beiden herzustellen, wird eine größere Kategorie herangezogen (der dörfliche, regionale oder nationale Hintergrund). Das erst erlaubt es, die Natur der Beziehungen zwischen dem einen und dem anderen im folgenden zu bestimmen. Der Begriff der Verwandtschaft, «qarindosch», erlaubt demnach eine Unterscheidung zwischen denen, die zu «unserer» Gruppe gehören gegenüber anderen Individuen, die nicht dazu gehören. Der Fremde, «tschetellik», oder «adschnobi», der Unbekannte, wird als eine Quelle der Unordnung angesehen. Er hat keinen Zugang zum Innern der Familie und kann kein Vertrauen erwecken.
Bei den Usbeken existiert auch noch eine Bezeichnung dazwischen, die eine bedeutende Rolle spielt in den sozialen Beziehungen. Der Begriff des Eingeladenen, «mehmon», ermöglicht es, eine Barriere zwischen uns und den anderen zu errichten. Sogar wenn der Eingeladene jemand ist, der Zugang zum familiären Raum hat, so hat er das nur für eine begrenzte Zeit auf einem wohlbestimmten Platz. Das Verwandtsein enthält also sowohl eine Dimension der Integration als auch eine des Ausschlusses.
Der Ausstoß aus der familiären Gruppe schließt den sozialen Tod mit ein, der den schlimmsten Schmerz verursacht, den ein Mitglied der usbekischen Gesellschaft erleiden kann. Die wachsende Zahl weiblicher Selbstmorde erklärt sich demnach durch die Häufigkeit solcher Ausschlüsse, deren Opfer viele junge Frauen im ländlichen Milieu sind. Der Ausschluss treibt diese jungen Frauen dazu, den Tod als einzig ehrenhaften Ausweg und einzigmöglichen Ausdruck des Aufbegehrens zu wählen
Lokale Gemeinschaftsstrukturen
Die Sowjetisierung Zentralasiens transformierte die Lokalgemeinschaften nachhaltig. In den ländlichen Gebieten wurden sowohl die in Dörfern organisierten Mahallas als auch die tribal organisierten Dörfer in Kolchosen umgewandelt oder in diesen als Abteilungen und Arbeitsbrigaden integriert. Die mit dem Zerfall der Sowjetunion einhergegangene Massenemigration von Europäern und der Zuzug von ländlichen Bewohnern führte in Usbekistan zu einer „Mahallisierung“ auch der ehemals stark europäisch geprägten Wohngebiete. Durch die flächendeckende Einrichtung von Mahalla-Büros mit einem Rais als staatlich besoldetem Gemeindevorsteher und der Übertragung von sozialstaatlichen Kompetenzen wurde diese Struktur in Usbekistan auch auf die sowjetisch europäischen Stadtviertel und Siedlungen mit mehrstöckigen Wohnungshäuser ausgedehnt. Wo die Kolchosen aufgelöst wurden, zerfielen diese in erweiterte Familiengruppen, deren Mitglieder für die Altersversorgung aufkommen und zum Teil auch gemeinsam Landwirtschaft betreiben.
Ein männlicher Nachkomme genießt in der usbekischen Gesellschaft einen viel höheren Stellenwert als ein weibliches. Viele Mütter bzw. ihre Familien fühlen sich «erleichtert» und «erlöst» erst wenn ein Knabe geboren wird. Dies führt u.a. dazu, dass in vielen Familien solange Kinder gezeugt werden, bis ein Junge «endlich» zur Welt kommt.
Dieser ungleiche Stellenwert hat auch spätere Implikationen: es wird in die Jungs mehr «investiert» (symbolisch und materiell), als in die Mädchen. Dies hat z.B. zur Folge, dass die Hochschulbildung für ein Mädchen nicht so notwendig erachtet wird wie für einen Jungen. Zudem lastet auf den jungen
Frauen ein weitaus höherer gesellschaftlicher Druck jung zu heiraten. In der Vorstellung der usbekischen Gesellschaft besitzt ein Single gleichwohl in welchem Alter den Makel der «Verdorbenheit» und ist nicht fähig, ein glückliches Leben zu führen. Dieser Makel gilt es so schnell wie möglich durch eine Heirat zu beheben, die recht kostspielig ist.
Bildung
Der Bildungssektor ist dringend reformbedürftig und bedarf höherer finanzieller Ausstattung durch die Regierung. Diesen Reformbedarf scheint die neue Regierung unter Mirziyoyev erkannt zu haben. Laut einem etwas euphorischen Bericht von Deutschlandfunk sei das Land dabei, sein Bildungssystem umfassend zu reformieren, Öffnung von Wissenschaft und Lehre nach der 30 Jahre währenden Diktatur und Isolation zu betreiben. Zudem soll der Lehrerberuf gesellschaftlich aufgewertet und das Studium finanziell gefördert werden.
In seiner «Bildungssystemanalyse 2018» für Usbekistan benennt der DAAD die wichtigsten Strukturproblemen des Bildungswesens: «Das nationale usbekische Hochschulsystem existiert erst seit knapp 25 Jahren, seit der Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit am 1. September 1991. Die Hochschulen des Landes sind allesamt erst im 20. Jahrhundert entstanden und sie sind uber Jahrzehnte in ihrer Struktur, ihrem Profil, ihren Lehrprogrammen und in ihrem Selbstverständnis durch das Sowjetsystem geprägt worden. Dieses Erbe (starke Verschulung, starre Lehrprogramme, gering entwickelte Forschung) wirkt bis zum heutigen Tag fort. Gegenwärtig unternimmt die usbekische Regierung große Anstrengungen, um die nationalen Hochschullehrpläne mit Unterstützung internationaler Experten zu modernisieren. Es existieren staatliche Vorgaben für Internationalisierungsstrategien der Hochschulen. Das gravierende Defizit dieses Vorgehens besteht in dem „Top-Down Approach“, das heißt, die erforderlichen Veränderungen werden „von oben“ initiiert. Dieses, z.T. kampagnenartige Vorgehen kann die nach wie vor unzureichenden Kooperationsbeziehungen mit dem Ausland, die „von unten“, im direkten kollegialen Kontakt wachsen müssen, nicht ersetzen.»
Die schwierige wirtschaftliche Lage und die zunehmende Islamisierung der Gesellschaft führen zu einem Rückgang des Anteils von Mädchen bei weiterführenden Schulen. Eine arbeitsmarktorientierte praxisnahe Berufsausbildung befindet sich nach wie vor im Aufbau.
Die Grundschule wird ab dem Alter von 6 Jahren besucht und dauert 4 Jahre, es folgt die 7 jährige Sekundarstufe (je ein Abschnitt von 5 bzw. 2 Jahren). Die Regierung ist bemüht, Haushaltskürzungen im Bildungsbereich zu vermeiden. In den letzten Jahren wurden Reformen im Bildungswesen vorgenommen, so etwa die Einführung gestufter Studiengänge nach amerikanischem Modell (Bachelor, Master) und die Neustrukturierung der Oberstufe an den Schulen. Einen wichtigen Schwerpunkt bilden die zahlreichen neuen Colleges, die Schülern ab der 10. Klasse die Möglichkeit weiterführender Schulbildung, verbunden mit beruflicher Qualifizierung, eröffnen. Grundsätzliche Probleme des Bildungswesens sind die niedrigen Gehälter der Lehrkräfte, die zum Teil mangelhafte
Ausstattung der Einrichtungen, die Versorgung mit Lehrmitteln und die ungenügende Qualifizierung der Lehrkräfte bezüglich moderner Anforderungen. 1993 wurden private Bildungseinrichtungen
gesetzlich untersagt. Diese Maßnahme richtete sich gegen religiöse Schulen (madrassas) der Wahhabiten, die mit Finanzhilfe Saudi Arabiens seit 1992 entstanden waren. Die betreffenden
Einrichtungen kamen unter staatliche Kontrolle. 1999 wurde die Schaffung einer islamischen Universität in Taschkent genehmigt. 1920 wurde in Taschkent die erste sowjetische Universität Mittelasiens gegründet. Usbekistans Bildungslandschaft ist reich an Hochschulen und Universitäten.
Gesundheit und Sozialwesen
Die Gesundheitsversorgung ist unterfinanziert. Das in der Sowjetunion relativ leistungsfähige, stark zentralisierte und subventionierte Gesundheitswesen ist kaum noch in der Lage eine ausreichende flächendeckende Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten. Armutsbezogene Krankheiten, wie Tuberkulose, aber auch HIV/AIDS sind auf dem Vormarsch. Einige unabhängige Experten schlagen Alarm und weisen auf katastrophale Zustände im Gesundheitssystem des Landes hin.
Usbekistan hat versucht trotz des Systemwechsels ein dichtes soziales Netz aufrechtzuerhalten. Zwischen 1991 und 1994 fand eine schrittweise Umgestaltung des sozialen Sicherungssystems statt, in deren Verlauf die Ausgaben den verminderten finanziellen Möglichkeiten des Staates angepaßt wurden. Seit 1995 ist der Staat bemüht, die Zielgerichtetheit der Sozialleistungen zu verbessern, d.h. allgemeine staatliche Zuwendungen aufzugeben zugunsten von Hilfen für wirklich bedürftige Gruppen. Diese Ziele wurden v.a. durch vier sozialpolitische Komponenten verfolgt:
1. Das Mahalla-System
Die usbekische Regierung schuf das Mahalla-System zur dezentralisierten Unterstützung von bedürftigen Familien. Dabei handelt es sich um lokale Selbstverwaltungsorgane, die staatliche Gelder erhalten, um diese weiterzuverteilen.
2. Unterstützung für Mütter und Kinder
Für Familien mit Kindern, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, gibt es weitere Möglichkeiten, öffentliche Unterstützung zu erhalten: Einmalzahlung zur Geburt eines jeden Kindes (2x Mindestlohn); Kindergeld (für unter zweijährige in 1,5 facher Höhe des Mindestlohnes);
Extra-Leistungen und Steuerermäßigungen für Familien mit behinderten Kindern;
Unterstützungszahlungen für Kinder unter 16 Jahren: für das erste Kind 50% des Mindestlohns, für das 2. Kind 100%, für das 3.Kind 140% und ab dem 4.Kind 170%); Materielle Leistungen für bedürftige Familien, z.B. Winterkleidung für Kinder.
3. Das Pensionssystem
Das staatliche Rentensystem basiert ähnlich wie in Deutschland auf einem Generationenvertrag: Die arbeitende Bevölkerung kommt für den Unterhalt der Pensionsbezieher auf. Anspruch auf Pension haben Alte (Männer ab 60, Frauen ab 55 Jahren), Arbeitsunfähige und Familien, die «den Ernährer verloren haben». Die Pensionen sind zwar im Verhältnis zum vorherigen Einkommen großzügig bemessen, können aber angesichts sehr niedriger Gehälter und Löhne kein Existenzminimum sichern. Sie betragen in der Regel 75% des vorherigen Einkommens. Derzeit arbeitet die Regierung an einer umfassenden Rentenreform, die auch Möglichkeiten der privaten Altersvorsorge miteinbeziehen soll.
4. Arbeitslosenunterstützung
Schon kurz nach der Unabhängigkeit führte die usbekische Regierung einen Beschäftigungsfond ein, der aus den Beiträgen der Arbeitnehmer in Höhe von 2,5% des Lohnes finanziert wird. Die Unterstützung, die Arbeitslose aus diesem Fonds erhalten, ist so gering, daß nur ein kleiner Teil der Arbeitslosen die Auszahlung überhaupt beantragt.
Diese Auflistung vermittelt den Eindruck eines engmaschigen sozialen Netzes. In der Tat ist der Anteil der öffentlichen Ausgaben am BIP in Usbekistan wesentlich geringer als im Durchschnitt der GUS-Staaten gesunken. Der Anteil der Sozialausgaben am öffentlichen Haushalt ist im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten konstant geblieben. Berücksichtigt man allerdings das gesunkene BIP, ergibt sich absolut betrachtet eine Abnahme der öffentlichen Sozialleistungen – eine Entwicklung, die parallel verläuft zur Entstehung ganz neuer sozialer Problemlagen durch den Transformationsprozeß.
Der Staat fühlt sich also nach wie vor zur sozialen Fürsorge verpflichtet, kann der weitverbreiteten Bedürftigkeit aber aufgrund beschränkter Mittel und/oder zu wenig zielgerichteter Allokation nicht nachkommen. Die Zahlen zu unter- und fehlernährten Kindern sprechen hier eine deutliche Sprache.
Kultur
Im Unterschied zu den nomadisch geprägten Gebieten in Kasachstan, Kirgisien und Turkmenistan war die Region des heutigen Usbekistan schon seit dem frühen Mittelalter ein Kerngebiet islamischer Kultur. Wesentlich dafür war die hochentwickelte, persisch geprägte Stadtkultur. Insbesondere die alten Zentren in der heutigen Landesmitte, Buchara und Samarkand, haben kulturell eine außergewöhnliche Geschichte. Sie brachten viele bedeutende Philosophen, Wissenschaftler und Theologen hervor. Die Sprache und Kultur Persiens wird noch heute von vielen Menschen im Umkreis dieser Städte gepflegt, während sich die Staatssprache Usbekisch aus osttürkischen Idiomen entwickelte. Der als Begründer der usbekischen Sprache und Literatur geltende Dichter Mir Ali Sher Nava’i stammte aus Herat und hat auf Tschaghataisch und Persisch gedichtet (15. Jhr.). Zu den ältesten und wichtigsten kulturellen Überlieferungen des Landes gehört das traditionelle indoiranische Neujahrsfest Navro‘z, das im Frühling feierlich begangen wird. Navro‘z ist ein gesetzlicher Feiertag.
Seine Theaterszene hat Usbekistan von der Sowjetunion geerbt. Das auch im Ausland bekannteste ist das unabhängige Ilhom-Theater. Doch seine Existenz ist nach wie vor gefährdet. Durch eine Intervention der Präsidententochter konnte die Lage vorerst beruhigt werden. Entlang der sogenannten Seidenstraße in Usbekistan müssen sich viele in Armut lebende Menschen auf alte Handwerkstraditionen besinnen. Auf den Basaren sind wundervolle Arbeiten zu erstehen. Aber Korruption und staatliche Einschüchterung und Bevormundung verhindern eine wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklung des Kunsthandwerks und der Kulturszene. Unabhängige Künstler werden verfolgt und unterdrückt. In den staatlichen Kunstmuseen werden Originale von Mitarbeitern geklaut und durch Kopien ersetzt.
Eine weltweit einmalige expressionistische Kunstsammlung in Usbekistan besteht aus Werken von Künstlern, die in Moskau und Leningrad verschmäht und nicht geduldet wurden. Dank der mutigen Sammelleidenschaft seines Gründers Igor Savitzky konnten diese Werke in dem Museum fern vom Einfluss Moskaus überleben, das bereits als «Louvre in der Wüste» genannt wird.
Religionen
Circa 89% der usbekischen Bevölkerung sind Muslime (meist sunnitischer Islam, örtlich schiitische Minderheiten); 8% sind orthodoxe Christen; Anfang der 90-er Jahre gab es ca. 93.000 Juden, Ende Dez. 2000 ca. 3.000 römische Katholiken. Nach der Unabhängigkeit sind überall neue Moscheen, Koranschulen und islamische Zentren in großer Menge entstanden, sie wurden zum Teil aus dem islamischen Ausland finanziert. Die neue Geistliche Verwaltung der Muslime Usbekistans steht unter staatlicher Aufsicht. Der Islam ist in Usbekistan wieder sichtbar geworden, inoffizielle islamistische Strömungen werden von der usbekischen Regierung jedoch entschieden verfolgt, auch im Ausland. Der radikale politische Islamismus scheint sich vor allem im Ferganatal zu konzentrieren.
Seit 1998 müssen sich religiöse Gruppen und Moscheegemeinden registrieren lassen (mindestens 100 Mitglieder sind notwendig). Das neue Religionsgesetz verbietet u. a. missionarische Betätigung und lässt sonst wenig Religionsfreiheit zu. Der Kampf der usbekischen Regierung gegen eine religiöse Radikalisierung der Bevölkerung nimmt zuweilen groteske und absurde Formen an, wie z.B. der von der örtlichen Polizei ausgeübte Zwang, Bärte abzurasieren. Bärte kann man ja abrasieren, aber was macht man mit entsprechenden Inhalten in den Köpfen von Menschen?
Zur außerparlamentarischen religiösen Opposition gehören die weltweit agierende Hizb ut-Tahrir al-Islami und die Islamische Bewegung Usbekistans (IBU). Die Operationen der US-Streitkräfte in Afghanistan schienen die IBU strukturell und personell geschwächt zu haben. Während die IBU ihre Ziele mit militärischer Gewalt durchsetzen will, ist die zweite wichtige islamistische Bewegung, Hizb ut-Tahrir al-Islami, offiziell gewaltfrei. Hizb ut-Tahrir al-Islami ist in Usbekistan verboten, ihre Anhänger werden verfolgt.
Sie tritt für die Errichtung eines Kalifats ein, in dem bestehende soziale Probleme wie Armut und Korruption durch islamische Rechtsprechung gelöst werden sollen. Der Protest von Hizb ut-Tahrir al-Islami gegen die Regierung ist jedoch nicht nur religiöser Natur. Viele junge Menschen sehen die islamistische Opposition als einzige Möglichkeit, politisch ihren Willen zu bekunden und ihre Unzufriedenheit mit der sozialen Lage in Usbekistan zu äußern. Der IS konnte diese Unzufriedenheit sich zunutze machen und rekrutiert massiv für sich. Es ist daher kein Zufall, dass die Attentäter von Stockholm, St. Petersburg, Istanbul und New York aus Usbekistan stammen.
Die Regierung wiederum benutzt Hizb ut-Tahrir al-Islami ebenso wie die IBU als «Schreckgespenst» und Sinnbild für «islamistischen Terror» und legitimiert ihre Repression im religiösen Bereich mit Verweis auf die «Zustände» in Tadschikistan und Afghanistan. Das US-amerikanische Außenministerium führt 2018 Usbekistan unter den Staaten mit schlimmsten Verstößen gegen die Religionsfreiheit, obwohl der neue Präsident einige Schritte zur Entspannung der repressiven Politik des States im religiösen Bereich eingeleitet hat. 2020 wird eine leichte Verbesserung konstatiert, eine entscheidende Kehrtwende bleibt nach wie vor aus.
«Zentralasiatischer» Islam: Der Islam ist wie überall in der islamischen Welt auch in Zentralasien kein Monolith, sondern er äußert sich in so vielfältigen Erscheinungsformen, dass man mit einiger Berechtigung von einem kasachischen, kirgisischen, usbekischen, turkmenischen und tadschikischen Islam oder auch vom Islam der ehemaligen Nomaden und dem der urbanen Bevölkerung sprechen kann. Damit würde man auch den großen Unterschieden zwischen (sub)ethnischen und lokalen Ausprägungen des Islam in der Region Rechnung tragen. Doch lassen sich auch Gemeinsamkeiten ausmachen. Hierzu zählt die Fähigkeit der zentralasiatischen Ausprägungen des Islam zur Einbeziehung von Verhaltensweisen, die mit klassischen Lehren nicht vereinbar sind. Auch lässt sich, wie in anderen Teilen der islamischen Welt, ein ausgeprägter Radikalismus beobachten, der jedoch eine andere Genese hat. Zudem ist die Struktur des religiösen Fatalismus (Glaube an die absolute Vorherbestimmung des Schicksals durch Gott) eine andere. Nicht zuletzt ist ein «Sonderweg» in den Gleichheitsidealen und einer einmaligen Ritualgläubigkeit zu sehen, die mancherorts den »wahren« Glauben zu ersetzen scheint.
Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Der Verfasser ist Dr. Bahodir Sidikov, geb. 1970 in Taschkent. Studium d. Arabistik, Islamwissenschaft und Geschichte des Nahen Ostens in Sankt Petersburg Die GIZ und der Autor ist informiert worden, dass die Infos auf meiner touristischen Länderseite zu Usbekistan veröffentliche.